Tantrischer Sex: Intimität neu erleben
- Sandra Sauter
- 1. Aug.
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 2 Tagen

An was denkst du, wenn dir tantrischer Sex in den Sinn kommt? An stundenlang andauernde Ekstase, die nur wenigen Auserwählten zuteil wird? An eine sexuelle Praktik, die primär gelenkigen Yogis und Yoginis und spirituellen Meistern vorbehalten ist?
Ich kann dich beruhigen: Tantrischer Sex ist keine Geheimwissenschaft – sondern etwas, das jeder Mensch erleben kann, der bereit ist, sich mit Neugier und offenem Herzen einzulassen.
Alles, was du brauchst, ist Neugier, Offenheit und ein Gegenüber, das bereit ist, sich auf diese besondere Form der Verbindung einzulassen.
Inhaltsverzeichnis
Tantrischer Sex – was steckt wirklich dahinter?
Im Westen wird Tantra oft auf Sexualität reduziert. Und ja – körperliche Vereinigung kann Teil davon sein. Aber Tantra ist zuallererst eine Haltung. Eine Einladung zu bewusster Präsenz und gelebter Verbindung – mit dir selbst, deinem Gegenüber und dem Leben.
Tantra vereint Gegensätze: Spiritualität und Körperlichkeit, Hingabe und Kraft, Stille und Intensität. Es bringt dich in Kontakt mit deinen männlichen und weiblichen Anteilen, egal welchem Geschlecht du dich zuordnest. Und genau hier beginnt die Magie tantrischer Sexualität.
Die Verbindung von Sexualität und Spiritualität
Im tantrischen Kontext ist Sexualität kein Akt der Leistung, kein „Ziel“, das erreicht werden muss, sondern ein Tor.
Ein Tor zu Wahrhaftigkeit.
Ein Tor zu deinem Körper als Quelle von Energie, Lust und Bewusstsein.
Ein Tor zur Verbindung, mit dir selbst und einem anderen Menschen.
Dabei geht es nicht darum, etwas Besonderes zu „machen“. Es geht vielmehr darum, in allem, was geschieht, präsent zu bleiben.
Was tantrischer Sex wirklich ist
Tantrischer Sex ist keine Technik. Es ist eine Qualität der Begegnung.
Die körperliche Vereinigung wird im Tantra als heiliger Raum gesehen, nicht im religiösen Sinn, sondern weil sie das Potenzial hat, uns aus dem Kopf in das Herz zu führen.
Der Fokus liegt nicht auf dem Orgasmus, sondern auf dem Raum dazwischen: die Blicke, der Atem, die Berührung, das Lauschen, die Stille, die Energie, die sich zwischen zwei Körpern bewegt. Zeit verliert an Bedeutung, wenn zwei Menschen sich wirklich sehen.
Für wen ist tantrischer Sex geeignet?
Tantrische Sexualität ist nicht nur für erfahrene Paare. Im Gegenteil – oft sind es gerade die, die sich nach echter Nähe sehnen, die in dieser Praxis Heilung und Verbindung finden.
Tantrischer Sex ist besonders nährend für Menschen, die:
• sich entfremdet fühlen und sich neu begegnen möchten
• Lust tiefer oder wieder spüren wollen
• achtsame Sexualität wünschen
• hochsensibel sind und sich nach einer sanften, absichtslosen Begegnung sehnen
• neugierig sind auf bewusste Intimität
Tantrischer Sex im Alltag: 5 Impulse für mehr Nähe
Tantrischer Sex ist nicht kompliziert. Aber er braucht Bewusstsein, Präsenz und ein wenig Mut, neue Wege zu gehen.
Hier findest du 5 Impulse, wie du tantrischen Sex in dein Leben bringen kannst:
1: Gib deiner Sexualität Raum – bewusst und geplant
Im Alltag verlieren wir oft das, was uns eigentlich verbindet: Berührung, Zärtlichkeit, sinnliche Nähe. Falls ihr euch fernab des Alltags wieder näherkommen möchtet, empfehle ich euch Tantra für Paare oder meinen einsteigerfreundlichen Tantra-Workshop "Tantric Lovers", der sich auch an skeptische Partner*innen richtet.
Wenn dir deine Beziehung wichtig ist, plane Zeiträume für intime Begegnung bewusst ein – nicht als Pflicht, sondern als Geschenk. Tragt euch gemeinsame Zeit genauso selbstverständlich in den Kalender ein wie einen Arzttermin oder ein wichtiges Meeting.
Oft beginnt der Zauber tantrischer Sexualität nicht mit einer Berührung, sondern mit der Entscheidung, einander wirklich Raum zu schenken. Wenn ihr euch bewusst Zeit nehmt für Nähe, dann lasst den Druck los, dass etwas „passieren“ muss.
Tantrischer Sex braucht keine Penetration, kein Ziel, kein bestimmtes Ergebnis. Vielleicht haltet ihr euch einfach nur. Vielleicht liegt ihr nebeneinander und atmet gemeinsam. Vielleicht teilt ihr ein stilles Lächeln oder ein Gespräch, das euch öffnet. Und vielleicht wird es auch lustvoll, wild, ekstatisch.
Überlasst es dem Zauber des Moments, was passiert. Es geht nicht darum, Erwartungen zu erfüllen, sondern darum, euch in der Tiefe zu begegnen, genauso, so wie ihr gerade seid.
2: Gestaltet einen Raum, der euch einlädt
Vielleicht hast du im Urlaub schon einmal einen Tempel betreten – einen Ort, an dem du sofort die besondere Atmosphäre gespürt hast. Eine spürbare Stille, eine Präsenz, ein Raum, der dich eingeladen hat, zur Ruhe zu kommen.
Genau so einen Ort könnt ihr euch auch zu Hause erschaffen – einen geschützten Rahmen, in dem ihr euch ganz eurer Verbindung widmet. Das muss kein spezieller Raum sein. Ein liebevoll gestaltetes Schlafzimmer reicht völlig aus, solange es frei von Ablenkungen ist.
Dimmt das Licht, zündet Kerzen an, lasst sanfte Musik laufen und schafft mit ätherischen Ölen, Tüchern oder kleinen Ritualgegenständen eine Atmosphäre, in der ihr euch wohl und sicher fühlt.
Viel entscheidender als Größe oder Einrichtung ist die Energie, mit der ihr diesen Raum betretet. Nehmt euch Zeit für ein bewusstes Ankommen. Vielleicht duscht ihr vorher, zieht euch etwas Schönes an oder legt eure Handys beiseite.
Wenn es sich für euch stimmig anfühlt, könnt ihr auch einen kleinen Altar gestalten mit Symbolen, die für euch Bedeutung haben: Schöne Steine, Federn, Blumen, persönliche Gegenstände oder auch sinnliches Spielzeug. Euer Raum darf sich wie ein Tempel anfühlen – nicht, weil er perfekt ist, sondern weil ihr ihm Bedeutung gebt.
3: Trefft euch mit einer gemeinsamen Absicht
Bevor ihr euch auf körperlicher Ebene begegnet, nehmt euch einen Moment, um innerlich wirklich bei euch anzukommen. Tantrischer Sex lebt nicht davon, was ihr tut, sondern wie ihr euch begegnet – mit welchem Bewusstsein, welcher inneren Haltung und welcher Präsenz.
Dieses kleine Einstimmungsritual hilft euch, euch aufeinander einzuschwingen, ganz ohne Druck oder Erwartung. Es braucht keine komplizierten Techniken, sondern nur ein wenig Zeit, Achtsamkeit und den Wunsch, euch ehrlich und verletzlich zu zeigen.
1. Ankommen im Raum
Betretet euren Raum ganz bewusst. Vielleicht möchtet ihr einen Moment in Stille stehen bleiben – barfuß, mit Blickkontakt, ohne Worte. Spürt den Boden unter euch, den Duft im Raum, die besondere Stimmung.
2. Augen schließen & atmen
Setzt euch einander gegenüber, schließt die Augen und atmet einige Minuten gemeinsam. Spürt euren Körper, ohne etwas zu verändern. Jeder Atemzug bringt euch mehr zu euch und zueinander.
3. Eine einfache Frage
Wenn ihr möchtet, öffnet nun die Augen und stellt euch eine Frage: Was wünsche ich mir heute in unserer Begegnung, körperlich, emotional oder seelisch? Ihr könnt die Antwort aussprechen oder sie einfach im Herzen tragen.
4. Berührung als Einladung
Legt zum Abschluss eine Hand auf das Herz des anderen und lasst die Stille für sich wirken. Es braucht keine Worte, nur eure Präsenz
Indem ihr euch auf diese Weise begegnet, entsteht ein Raum, in dem alles da sein darf. Bleibt wach und einfühlsam, wenn dein Gegenüber von seinen oder ihren Wünschen erzählt. Versuche, nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen zu lauschen.
Denn wenn wir nicht ganz im Moment sind, schleichen sich schnell Erwartungen oder alte Muster ein. Und gerade diese feinen Zwischentöne machen den Unterschied zwischen Nähe und Distanz.
4: Tantramassage in eure Beziehung integrieren - Berührung ohne Ziel
Berührung ist eine Sprache, die oft mehr sagt als Worte, vor allem dann, wenn sie absichtslos, präsent und liebevoll geschieht.
Tantramassage ist ein wunderbarer Einstieg, um tantrische Sexualität nicht nur zu verstehen, sondern körperlich zu erfahren. Ihr müsst keine Profis sein, es reicht, wenn ihr euch mit offenem Herzen begegnet und den Moment geschehen lasst.
Berührt einander ohne Ziel, ohne Plan. Nutzt warme Öle, den Atem, eure Intuition, vielleicht auch Tücher, Federn oder andere Materialien, die eure Sinne anregen. Lasst euch Zeit, um in einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. Intimmassage darf sich daraus entwickeln, muss aber nicht. Es geht nicht darum, etwas „zu tun“, sondern darum, in Verbindung zu sein.
Falls ihr Lust habt, könnt ihr die Tantramassage für Paare in meinen Tantra Seminaren im geschützten Paar-Kontext lernen, entweder in kleinen Gruppen bei Tantric Touch Women & Tantric Touch Men oder ganz persönlich nur mit mir als Begleitung.
5: Löst euch von Erwartungen
Das größte Geschenk, das ihr euch beim tantrischen Sex machen könnt, ist Absichtslosigkeit.
Keine Erwartungen an:
• Orgasmen
• Reaktionen
• Abläufe
Tantrischer Sex hat kein Drehbuch.
Vielleicht wird es wild, vielleicht sanft, vielleicht traurig, vielleicht heilend. Eure Körper wissen, was sie brauchen, sofern ihr aufhört, sie kontrollieren zu wollen. Gerade diese Ergebnis-Offenheit ist es, die tantrischen Sex so tief und nährend macht.
Tantrischer Sex auf energetischer Ebene
Im tantrischen Liebesspiel geht es nicht nur um körperliche Stimulation, sondern um Energie, die zwischen euch fließt. Hier erfährst du mehr zur Bedeutung von Yin & Yang in einer erfüllten Partnerschaft.
Diese Energie wird auch als Lebensenergie, Kundalini oder Chi bezeichnet und kann durch eure Körper fließen, sich aufbauen, zirkulieren oder ekstatisch entladen. Dabei kann es zu Zittern, Tränen, Lustwellen oder stiller Weite kommen.
Die wichtigste „Technik“ ist nicht Kontrolle, sondern Spürfähigkeit. Je besser ihr darin werdet, Energie bewusst wahrzunehmen und zu lenken, destol freudvoller wird eure Sexualität. In meinem Tantra Workshop für Paare "Tantric Pleasure" lernt ihr, wie euch dies immer besser gelingt.
Atmung, Bewegung, Stimme – wie dein Körper sich selbst befreit
Ein zentrales Element im tantrischen Sex ist der bewusste Umgang mit Atem, Bewegung und Stimme, weil sie dir helfen, dich zu entspannen und auszudrücken. In meinem Blogartikel "4 Schlüssel zur Lust" erfährst du mehr darüber.
• Atme tief und gleichmäßig durch den Mund oder die Nase, was für dich stimmig ist. So bleibst du verbunden.
• Erlaube deinem Körper, sich intuitiv zu bewegen – in Mikrobewegungen, Wellen oder Ausdehnung.
• Lass deine Stimme fließen – stöhnen, seufzen, summen, lachen oder weinen. Alles darf sein.
Wenn du diese drei Elemente nutzt, wird deine Erfahrung freier, lebendiger und tiefer. Blockierte Lust beginnt sich zu lösen, Scham verliert an Macht, und dein Körper erinnert sich daran, wie es ist, lebendig im Ausdruck zu sein.
Der tantrische Liebesraum als Ritual
Tantrischer Sex ist kein “Alltagssex plus Duftkerze”, sondern kann – wenn ihr möchtet – zu einem Ritual werden.
Das heißt nicht, dass es immer feierlich oder ernst sein muss. Sondern: Ihr tretet bewusst in einen Raum, der mehr ist als das bloße Zusammensein zweier Körper.
Ein Ritual beginnt mit einem Moment der Stille, einer bewussten Schwelle – z. B. durch:
• ein kleines Begrüßungsritual (Blickkontakt, Händedruck, Berührungsmeditation)
• das Sprechen eurer Absicht oder eures Wunsches
• das Öffnen eines heiligen Raums mit einer kleinen Geste (z. B. Duft, Musik, Symbol)
Durch diese Einstimmung entsteht ein gemeinsamer Raum, in dem ihr euch gegenseitig nicht „benutzt“, sondern ehrt.
3 kleine Rituale für euren Beziehungsalltag
Hier findet ihr drei kleine Rituale, mit denen ihr eure Verbindung im Alltag vertiefen könnt:
1. 1-Minuten-Blickkontakt
Setzt euch gegenüber, atmet gemeinsam und schaut euch eine Minute schweigend in die Augen.
2. Berührungsritual ohne Ziel
Nehmt euch 10 Minuten, in denen einer berührt und der andere empfängt – ohne Erwartung, nur mit Aufmerksamkeit. Danach wechselt ihr.
3. Verlangsamter Kuss
Küsst euch so, als wäre es der erste oder der letzte Kuss – langsam, ohne Ziel, ganz neugierig und präsetn.
Fazit: Mehr Nähe, weniger Müssen – tantrischer Sex im echten Leben
Tantrischer Sex ist keine außergewöhnliche Disziplin, die man erst meistern muss, sondern eine Einladung, sich wieder bewusster und echter zu begegnen. Wenn ihr euch Zeit schenkt – jenseits von Alltagstempo, Erwartungen oder Druck – entsteht ein Raum, in dem Nähe von selbst wächst. Oft braucht es dafür nicht viel mehr als den Mut, innezuhalten, den Blick zu heben und wirklich präsent zu sein.
Die Verbindung vertieft sich nicht durch große Rituale, sondern durch diese kleinen, absichtslosen Momente, in denen ihr euch zeigt, wie ihr gerade seid: berührbar, neugierig, manchmal verletzlich und manchmal voller Lust. Tantrischer Sex möchte nichts erzwingen. Er schenkt euch einen Rahmen, in dem ihr euch neu entdecken könnt – sanft, lebendig, verspielt oder still.
Wenn ihr eure Sexualität mit derselben Wertschätzung behandelt wie andere wichtige Bereiche eures Lebens, wird sie nicht zu etwas, das „passieren muss“, sondern zu einem Ort, an den ihr immer wieder gern zurückkehrt. Ein Ort, der euch nährt, verbindet und daran erinnert, wie schön es ist, einander wirklich zu begegnen.



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